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WIEN. Eigentlich sollte der europäische Mars-Rover bereits vor zwei Jahren zu seiner langen Reise zum Roten Planeten gestartet sein, doch einige technische Probleme verursachten eine Verschiebung auf das Jahr 2023.

Allen Planungen machte allerdings der Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine einen kräftigen Strich durch die Rechnung. „Der Start hätte mit einer russischen Rakete erfolgen sollen, das geht jetzt nicht”, bedauert Manfred Sust, Geschäftsführer von Beyond Gravity Austria, „zudem hat der Rover auch russische Geräte von Roscosmos an Bord. Die ESA projektiert gerade eine Fortführung der Mission ohne russische Beiträge, aber man kann nicht vor dem Jahr 2028 starten. Da müssen wir noch ein bisschen warten, bis wir wieder Equipment von uns auf dem Mars haben.”
Immerhin ist es nicht das erste Mal, dass österreichische Technik zum Mars fliegt: Beyond Gravity, Österreichs führendes Weltraumunternehmen, hatte bereits für den „Mars Express” im Jahr 2003 Schnittstellenelektronik gebaut.

Verschiebung ins Jahr 2028

Durch den Krieg Russlands gegen die Ukraine ist seit einigen Monaten eine Entflechtung der Kooperation zwischen der europäischen Weltraumagentur ESA und ihrem russischen Pendant im Gange. Am 17. März setzte die ESA die Zusammenarbeit auf unbestimmte Zeit aus. Damit wurde der Start mit einer russischen Proton-Rakete unmöglich, und es muss einiges an russischer Technik, die bei ExoMars verbaut wurde, durch westliche Komponenten ersetzt werden. Dabei handelt es sich vor allem um die Landeplattform für den ESA-Rover.

Ging man vorerst von einem möglichen – neuen – Starttermin im Jahr 2026 aus, tritt nun die NASA auf die Bremse: „Realistischerweise peilen wir einen Start im Jahr 2028 an”, so Jorge Vago, ExoMars-Wissenschaftler bei der ESA.
Doch auch der Start im Jahr 2028 ist nicht in Stein gemeißelt. Zwar würde der Rover durch eine kurze Flugbahn den Roten Planeten relativ rasch erreichen, doch nach einer erfolgreichen Landung wartet unwirtliches Wetter auf das Fahrzeug: Nur ein Monat später beginnt die Staubsturmsaison an der Landestelle. Außerdem fiele ein Starttermin der europäischen ExoMars-Mission mit zwei geplanten Landungen von NASA-Vehikeln zusammen. Deshalb bleibt ein konkretes Datum zum Abheben noch Zukunftsmusik.

Technik aus Österreich

Für den Mars-Rover der ExoMars-Mission lieferte Beyond Gravity Austria einen wesentlichen Bauteil: Den „Selfie-Stick”, auf dem Kameras montiert sind, die einen Rundumblick auf den Roten Planeten erlauben. „Für den Mars-Rover haben wir den Mast für die Stereo-Kamera und den Mechanismus entwickelt, gebaut und geliefert”, erklärt Sust.

So ärgerlich die Verschiebung der ExoMars-Mission auch ist – Weltraumtechnik Made In Austria ist demnächst wieder auf dem Weg ins All. „Wir entwickeln derzeit extrem störsichere Switches und Router für das On Board-LAN des Lunar Gateways”, ist Sust sichtlich begeistert von dem

österreichischen Beitrag zur Mond-Mission. „Das Gateway ist eine Weltraumstation in einer Umlaufbahn um den Mond, deren erster Teil im Jahr 2024 in Betrieb gehen und als Ausgangsbasis für bemannte Flüge zum Mond dienen soll. Hier arbeiten wir mit der Wiener Firma TTTech zusammen, die das fehlertolerante LAN-Protokoll erfunden hat. Beyond Gravity entwickelt und baut die weltraumtauglichen Elektronikeinheiten, die im Gateway integriert sind.”
Ohne diese Technik wäre eine reibungslose Kommunikation innerhalb der Raumstation nicht möglich. Sust: „Die Vorstellung ist schon recht spannend, dass Astronauten, die das Lunar Gateway bevölkern werden, von unserer Technik abhängig sind. Wenn es zum Mond geht, sind wir auf jeden Fall mit dabei.”

In Raketen steckt viel Austria

Arbeitslos werden die 230 Mitarbeiter von Beyond Gravity an den beiden Standorten Wien-Meidling und Berndorf nicht, denn in vielen Raketen steckt österreichisches Know-how.

„Für die Ariane 6 liefern wir neben der Hochtemperaturisolation für die Raketenantriebe einen Kardan-Mechanismus für die Oberstufe. Das ist extrem spannend, denn er befindet sich zwischen dem Tank und dem Triebwerk der Oberstufe. Er sorgt dafür, dass das Triebwerk ganz genau ausgerichtet werden kann, damit die Rakete jenen Punkt im Orbit erreicht, den sie erreichen soll”, erläutert Sust und umreißt die spannende Aufgabenstellung.

James Webb Teleskop

Der jüngste Coup der Hightech-Schmiede aus Meidling ist im James Webb Teleskop verbaut: Für das europäische NIRSpec-Instrument lieferte Beyond Gravity Mechanismen und für die Hauptantenne, die alle Daten und Bilder zur Erde überträgt, die Thermalisolation.

„Das NIRSpec-Instrument ist ein Spektrometer, bei dem es darum geht, die spektralen Komponenten des Lichts von entfernten Galaxien auszuwerten, um auf deren Zusammensetzung schließen zu können”, erklärt der Beyond Gravity-Geschäftsführer. „Dazu haben wir Mechanismen für Filter und Gitter, die eine Spektralanalyse durchführen, geliefert und sie funktionieren bestens. Das NIRSpec-Instrument liefert spektakuläre Daten.”
Doch bereits vor dem Start war österreichische Technik gefragt, ohne die das Teleskop nicht hätte gebaut werden können: „Um das haushohe Teleskop auf der Erde manipulieren, also zusammenzubauen und bewegen zu können, hat die NASA auf einen Trolley zurückgegriffen, den wir viele Jahre davor für eine ganz andere Mission – für einen amerikanischen Kunden – entwickelt hatten.”

Spin-off für die Medizin

Nicht nur im Weltraum sind Komponenten von Beyond Gravity gefragt. Jene Thermoisolationsfolien, die Raketen und Satelliten schützen, stecken in jedem zweiten Magnetresonanztomografiegerät.

„Diese Folien werden auch im CERN in der Schweiz eingesetzt und kommen überall dort zum Einsatz, wo Supraleitung zur Anwendung kommt, und starke Magnete heruntergekühlt werden müssen.”

Quelle: Von Alexander Haide- medianet.at